IBIZA Gedichte

DIE ERBEN

Wenn wir auf dieser Insel
die Sterne nicht mehr seh'n,
dann ist, was wir befürchtet,
letztendlich doch gescheh'n.
Die Bauwut auf der Insel
verbreitet so viel Licht,
man sieht die Osramlampen,
die Sterne jedoch nicht.

Wenn wir auf dieser Insel
das Meer ringsum nicht seh'n,
dann ist, was wir befürchtet,
letztendlich doch gescheh'n.
Man hört nicht auf zu planen,
weil man an Wachstum glaubt.
Nie wurde diese Insel
so jämmerlich beraubt.

Wenn mal am Rand der Wege
gar keine Blumen steh'n,
dann ist, was wir befürchtet,
letztendlich doch gescheh'n.
Damit wir noch mehr rasen,
wird alles asphaltiert,
wodurch der letzte Igel
sein Leben auch verliert.

Warum läßt man das alles
seit Jahr und Tag gescheh'n?
Soll diese schöne Insel
tatsächlich untergeh'n?
Blickt endlich in die Zukunft!
Noch ist es nicht zu spät.
Soll'n uns're Kinder ernten,
was ihr da heute sät?

WINTERLIED

Die Insel scheint zu schlafen,
sie ruht sich richtig aus.
Die Bäuerin mit ihren Schafen
zieht schon am Nachmittag nach Haus.

Verlassen die Boote im Hafen,
kein Schwimmer auf dem Meer.
Wo sich die Gäste trafen,
ist alles öd und leer.

Es krachen hohe Wellen
auf Felsen und Gestein
und an manchen Stellen,
kann es recht stürmisch sein.

Der Sturm fegt durch die Ritzen,
es knistert im Kamin
und über den Tannenspitzen
sieht man den Mond aufziehn.

Blumen blühn auf den Feldern,
es sieht nach Frühling aus.
Der Winter hier auf der Insel
macht mir partout nichts aus.


PARADIES IN TRÜMMERN
oder
GEMEINWOHL GEHT VOR EIGENWOHL

Mein kleines Haus -
von meinen Ahnen aufgebaut.
Ein kleiner Garten,
dessen Oelbaum auf die Hügel schaut.
Ein kleines Paradies,
in dem mich niemand stört,
das schon seit fünfzig Jahren
mir ganz allein gehört

Drei Katzen und ein Hund,
sechs Hühner und ein Hahn.
Sie leben schon mit mir,
seit ich nur denken kann.
Wenn ich des Nachts zum Himmel
und den Sternen blickte,
dankte ich Gott,
dass er mir diese Heimat schickte.

Seit gestern aber,
wenn ich zu den Sternen sehe,
ist da kein Dankeschön zum Himmel,
denn ich flehe
in Ohnmacht traurig,
dass man das, was mir gehört,
nicht einfach morgen schon total zerstört.

Vom Bauamt waren Leute hier
und auch die Polizei.
Fragten, warum ich gegen
die geplante Straße sei?
Gemeinwohl,
und das sollte ich mal nicht vergessen,
ginge nun mal vor
ganz persönlichen Interessen.

Der Himmel schweigt,
die Sterne, die so friedlich schienen,
sie starren ängstlich
auf die Schaufelbagger und Maschinen,
die in der Dunkelheit
vor meinem, heut noch, schönen Garten,
wie Ungeheuer bösartig,
gefräßig auf den Abriss warten.

Sie werden niedermachen
alles das, was ich besessen,
mit offnen Mäulern werden sie sich
durch die Erde fressen.
Die alte Mauer,
wo der Wiedehopf mit seinen Jungen wohnt,
das Igelnest, die Palmen,
selbst der Rosenstock
wird nicht geschont.

Versteckt im Laub der Bäume
hier und da ein Vogelnest
mit junger Brut, die noch nicht flügge,
sich noch füttern läßt.
Vor meinen Augen werden sie schon morgen
alles demolieren.
Entmutigt werde ich auf einen Haufen Schutt
und rote Erde stieren.

Noch weiss ich nicht,
wie ich den Anblick dann ertragen werde,
wenn nichts mehr bleibt,
nur Trümmern und zerwühlte Erde.
Vielleicht werd ich in Wut und Ohnmacht
laut zum Himmel schreien:
“Hilf mir! Ich kann und will,
was man mir antut
nicht verzeihen!”

SEUFZER DER INSEL

Seit Ihr hier lebt
hab’ ich Euch reich beschenkt.
Nun wünsch ich mir,
dass Ihr an mich mal denkt.
An mich,
der Ihr so vieles abverlangt.
Hab ich verdient,
dass Ihr mir mit Zerstörung dankt?
Begreift Ihr nicht,
wie es inzwischen um mich steht?
Helft mir,
dass es in Zukunft nicht so weiter geht,
dass ich vor lauter Trubel
kaum noch atmen kann.
Ich bin nicht unzerbrechlich! Denkt daran!
Lasst mir genügend Kraft
und Raum für meine Felder.
Lasst mir die Meeresbuchten
und die Pinienwälder.
Von meiner Schönheit habt Ihr doch
schon viel zu viel genommen.
Soll’n Eure Kinder
denn ein Inselwrack bekommen?
Ich fleh Euch an,
hört auf, mich wie ein Bauland zu behandeln,
meine Natur und Charme
in Immobilien zu verwandeln,
die eines Tages leer
und unbewohnt Geschichte schreiben.
Soll das von mir in Zukunft
wirklich übrig bleiben?


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